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Hilfe! Wir kriegen unsere Ausbildungsplätze nicht (mehr) besetzt!

Karen Hartmann im Interview zu Dysfunktionalitäten auf dem Ausbildungsmarkt

Dysfunktionalitäten auf dem Ausbildungsmarkt

peb!: Immer mehr Unternehmen berichten, dass sie Schwierigkeiten haben, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Was ist da los?

Karen Hartmann: Wir beobachten derzeit zwei Trends am Ausbildungsmarkt: Zum einen steigt die Anzahl der offenen Stellen, weil die Anzahl der potenziellen Bewerber sinkt. Das hat mit demographischen Entwicklungen zu tun, aber auch mit dem steigenden Anteil der Schulabsolventen, die statt einer Ausbildung ein Studium anstreben. Der Pool an potenziellen Bewerbern verkleinert sich. Interessanterweise sehen wir am Markt aber auch eine steigende Anzahl an unversorgten Bewerbern.

peb!: Da stellt sich doch die Frage: Warum füllen diese unversorgten Bewerber nicht zumindest einen Teil der offenen Ausbildungsplätze?

Karen Hartmann: Wir haben es auf dem Ausbildungsmarkt mit Matching-Problemen zu tun. Kurz gesagt: Angebot und Nachfrage finden nicht zusammen. Und das in dreifacher Hinsicht. Erstens regional: Die Bewerber sind nicht dort, wo die Ausbildungsplätze sind. Gerade Azubis sind im Gegensatz zu Studierenden weniger mobil. Der durchschnittliche Radius der Ausbildungsplatzsuche beschränkt sich auf 100km um den aktuellen Wohnort.

Zweitens beobachten wir einen qualifikatorischen Mismatch. Die Bewerber passen nicht zu den fachlichen Anforderungen der Unternehmen. Unversorgte Bewerber sind häufig „Altbewerber“, die schon mehrere Jahre nach einem Ausbildungsplatz suchen, haben häufig keinen oder maximal einen Hauptschulabschluss und auch häufig einen Migrationshintergrund. Für viele Ausbildungsbetriebe fehlt es an der fachlichen Qualifikation der Bewerber.

Drittens liegt oft ein berufsfachliches Mismatch vor. Die Berufswünsche der Bewerber passen nicht zu den Berufen mit offenen Ausbildungsplätzen. Es gibt Berufe, die als besonders attraktiv gelten und daher viele Bewerber anziehen. Kommt kein Ausbildungsvertrag in diesem Wunschberuf zustande, entscheiden sich vor allem Bewerber mit (Fach-) Hochschulreife für ein Studium, statt einen anderen Ausbildungsberuf zu ergreifen. Gleichzeitig werden die Berufe, die als weniger attraktiv gelten, weniger nachgefragt. In diesen als weniger attraktiv empfundenen Berufen bewerben sich häufiger Bewerber mit geringer Qualifikation – und schon sind wir wieder beim qualifikatorischen Mismatch.

peb!: Was sind denn aktuell die angesagten Berufe mit hohem Bewerberaufkommen? 

Karen Hartmann: Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit sind die Top-3 der beliebtesten Berufe bei Frauen Medizinische Fachangestellte, Kauffrau für Büromanagement und Verkäuferin, bei Männern KFZ-Mechatroniker, Fachinformatiker und Verkäufer.

peb!: Und wer sind die „Verlierer“?

Karen Hartmann: Das Handwerk ist besonders vom Mangel an qualifizierten Bewerbern betroffen. Im Lebensmittelhandwerk sprechen wir z.B. von 25% unbesetzten Stellen, in der Orthopädie und Reha-Technik sind es 20,6% und im Metallbau 16%.

peb!: Könnte man nicht einfach Bewerber auf andere Berufe „umlenken“?

Karen Hartmann: Die Idee ist nicht abwegig. Zumal Schulabgänger immer häufiger von Orientierungsproblemen berichten. Corona hat dieses Problem noch verstärkt. Während der Pandemie fanden weniger Praktika statt, wurden weniger Berufsorientierungstage oder Berufsmessen angeboten. Gerade unpopuläre Ausbildungsberufe sind so möglicherweise noch weiter in den Hintergrund gerückt und einfach nicht im Kopf der Bewerber, wenn sie sich für einen Ausbildungsberuf entscheiden.

peb!: Wie hilft peb! Unternehmen in dieser Situation Ausbildungsplätze erfolgreich zu füllen?

Karen Hartmann: Indem wir den Unternehmen helfen, Antworten auf die – mitunter unbequemen – Fragen zu finden:

  • Wie schöpfen wir den 100km-Radius aus?
  • Wie muss unsere Ausbildung ausgestaltet sein, um auch Bewerber mit schlechterer Vorqualifikation effektiv auf das Berufsbild XY vorzubereiten?
  • Wie können wir mehr Schulabsolventen davon überzeugen, dass der Beruf XY ein attraktiver Beruf mit Zukunftschancen ist? Wie machen wir den Ausbildungsberuf XY in unserer Region zum attraktiven „Wunschberuf“?
  • Wie können wir Jugendliche bei der beruflichen Orientierung unterstützen und dabei unser Unternehmen und den Beruf XY in die enge Auswahl bei der Suche nach dem passenden Ausbildungsplatz bringen?

peb!: Das klingt nach viel Arbeit und einem langen Weg zur Lösung. Gibt es auch ein Angebot, das sofort greift?

Karen Hartmann: Ja, das gibt es. Wir bieten z.B. offene Trainings für Azubis an, die gewisse qualifikatorische Defizite ausgleichen. Hier geht es etwa um Themen wie professionelles Auftreten, Serviceorientierung und den richtigen Umgang mit Kunden, berufliche Telefonate zielorientiert führen und Kommunikation mit Kollegen.

peb!: Sollten Azubis diese Fähigkeiten nicht selbstverständlich mitbringen?

Karen Hartmann: Das wäre natürlich schön und wünschenswert. Mit diesem Angebot wollen wir gerade jenen Betrieben eine Unterstützung bieten, deren Ausbildungsplätze nicht zu den „Wunschberufen“ gehören und eher auf Bewerber mit geringerer Qualifikation treffen. Wir helfen ihnen, die Defizite der Bewerber auszugleichen. So können sie Kandidaten eine Chance geben, die sie andernfalls nicht beschäftigt hätten.

peb!: Was ist mit den Ausbildern? Auf die kommen in dieser Situation sicher auch neue Herausforderungen zu.

Karen Hartmann: Das ist richtig. Ein Ausbilder ist heute viel mehr als die Person, die das Fachwissen vermittelt. Sie ist auch Seelsorger, Zuhörer, mitunter Erzieher, Nachhilfelehrer… Indem Unternehmen genau diese Fähigkeiten bei ihren Ausbildern stärken, investieren sie in alle noch kommenden Azubi-Generationen und deren erfolgreiches Absolvieren der Ausbildung. Und zahlen enorm auf das Thema Azubi-Bindung ein. Je nach Unternehmen raten wir hier zu einem firmeninternen Training – z.B. wenn das Unternehmen gleich mehrere Ausbilder für ihre neuen Herausforderungen fit machen will – oder zu einem individuellen Coaching, wenn es um wenige Einzelpersonen geht. Was unternehmensindividuell die richtige Lösung ist, klären wir am besten im Gespräch.

peb!: Vielen Dank für deine Einordnung der aktuellen Herausforderungen am Ausbildungsmarkt.


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